Kurzurlaub auf Baltrum - wer hätte gedacht, dass wir mal ohne eigenes Fahrzeug und dann auch noch in einer Pension Urlaub machen würden? Familienfeier sei Dank - es geht nach Baltrum.
Ursprünglich hatte ich natürlich gedacht: "Toll, mit dem Wohnmobil am Strand stehen und das Meeresrauschen geniessen!" - das war ein Satz mit "x" (das war nix). Baltrum ist autofrei. Die nächste Idee war: "Na gut, stellen wir uns halt in Neßmersiel an den Hafen und geniessen beim Frühstück blauen Himmel und Möwengeschrei." Auch Pustekuchen - die Linienfähre fährt nur zwei Mal am Tag und wir sollen Samstag vormittag vor Ort sein. Ooookay.... Nächster Plan: Freitag Urlaub nehmen, morgens mit dem Auto los Richtung Ostfriesland, am Hafen parken, die Fähre um 16.00 Uhr erwischen und dann für zwei Tage/Nächte in die Pension.
"Navi" sagt 3,5 Stunden Autofahrt voraus, ich rechne nochmal eine Stunde dazu, trotzdem kommen wir nach einiger Zeit etwas ins Schwimmen. Irgendwie rennt die Zeit plötzlich, wir müssen einiges an Landstrasse fahren und hier sind halt am Freitag nachmittag nicht gerade die Schumachers oder Hamiltons unterwegs. Kurvenfahren ist auch 'ne Sache für sich... Trotz aller Besorgnis erreichen wir den Fährhafen Neßmersiel gut in der Zeit. Fahrkarten kaufen - ACHTUNG! Man kauft hier normalerweise Rückfahrkarten, die sollte man bei Ankunft auf Baltrum nicht wegwerfen ;) - Gepäck verladen, Auto parken, dann kann's losgehen.
Die Wolken über dem Meer verheissen nichts Gutes. Aber wir haben Glück, da kommt während der Überfahrt so gut wie nichts raus. Selbst der Wind kann die Fähre nicht zum Schaukeln bringen, Schwein gehabt! Vermutlich liegt es daran, dass die Fahrt zu den Inseln nicht über das offene Meer führt. DAS können wir zwischen den Inseln Norderney und Baltrum entdecken: Hier brechen sich scheinbar aus dem Nichts die Wellen - und nur da scheint die Sonne. Das hab' ich so auch noch nicht gesehen.
Nach knapp 30 Minuten stressfreier Überfahrt landen wir im Hafen Baltrum - und werden dort erwartet! Super! Dann schliessen wir erste Bekanntschaft mit DEN Transportmitteln auf der Insel: "Wippen" und Bollerwagen. Ausserdem als Kfz-Ersatz unterwegs: Fahrräder, Pedelecs und Pferdefuhrwerke.
Auf dem Weg zur Pension sind wir erstaunt, wie dicht hier alle Häuser stehen - das sieht auf den Bildern im Netz immer viel weitläufiger aus. So alt, wie ich gedacht hatte, sind die Häuser auch nicht, es scheint, als seien die meisten in den 80ern gebaut worden (1980!). Zwei, drei kleine alte Häuser dazwischen, das war's.
In der Pension werden schnell die guten Klamotten ausgepackt und aufgehängt, in der Hoffnung, dass sie morgen wieder glatt sind. Dann ab um die Ecke zum Edeka, noch etwas Verpflegung besorgen. Auf den Zimmern gibt es einen Eisbonbon, sonst nichts. Die Möglichkeit, sich eben schnell einen Instantkaffee oder Tee zuzubereiten, haben die deutschen Gastgeber leider immer noch nicht für sich entdeckt. (Das haben wir in anderen Ländern sehr zu schätzen gelernt.) Was soll's, die Zimmer sind sauber, renoviert, ruhig und morgen gibt's Frühstück inklusive.
Zwischen Ankunft und Bettzeit werden wir in Hochzeitsvorbereitungen eingespannt, kariolen Bollerwagen durch die Gegend und lernen so schon mal ein wenig die Inselwege kennen. Offensichtlich liegt die Pension doch nicht ganz so günstig zu Standesamt und Partyzone wie erwartet, dennoch ist alles super zu Fuss zu erreichen (naja, was bleibt auch anderes übrig...). [Ob man das alles im "Power-Walking-Style" hätte machen müssen, lasse ich mal dahingestellt ;)]
Nach ein paar Stunden frischer Luft, leckerem Abendessen (Achtung - viele Restaurantküchen schliessen schon um halb neun!) und vielen Blicken in diverse Wetter-Apps (bleibt's bitte morgen trocken?!) landen wir ziemlich erschlagen in den Federn. Morgen müssen wir früh raus!
Der Samstag besteht zu 100 % aus Familienfeier, da gibt es hier nicht so viel zu berichten. Bis zum Mittag regnet es in allen Variationen, dann klart es endlich etwas auf und die Feierei kann halb draussen stattfinden (Hochzeitskleid + Gummistiefel geht auch!) Ab und zu habe ich Gelegenheit, ein paar Telefonfotos zu knipsen, wäre auch schade um die vielen tollen Wolkenformationen (siehe Galerie).
Der Sonntag beginnt für uns um kurz nach sieben, wir sind vor dem Wecker wach und die Sonne scheint! Gestern sind wir ziemlich zeitig zu Bett. Habe ich deswegen ein schlechtes Gewissen? Um neun (..!..) ins Bett trotz Party? Andere haben deutlich bis zum nächsten Morgen ausgehalten. Jein!
Dafür haben wir jetzt einen ganzen katerfreien sonnigen Entdeckertag vor uns. Der beginnt mit einem kräftigen Frühstück, dann geht's los zur Inselerkundung. Strahlend blauer Himmel (könnt Ihr den Mond auf dem Bild entdecken?), viel Wind, an T-Shirt ohne Jacke ist leider überhaupt nicht zu denken.
Gestern konnte ich im Rathaus noch eine Inselkarte ergattern, mit der machen wir uns nun auf den Weg Richtung Westen bis zum Zipfel der Insel. Dann auf der Promenade zurück und weiter am Strand bis zur Strandkorbburg der Hochzeitsgesellschaft - wir sind die ersten dort... :) Und damit haben wir Westdorf schon so gut wie umrundet.
Nach kurzer Rast (in der ich mir tatsächlich noch einen Sonnenbrand einfange... die Sonnencreme steht zuhause, ich hatte mich auf den Wetterbericht verlassen und nicht ernsthaft mit Sommer gerechnet) gehen wir weiter, wir wollen durch die sogenannte Zwischenzone ins alte Ostdorf. "Zwischenzone" wird der Bereich zwischen Bebauung und Naturschutzgebiet gennant, hier darf man auf den ausgewiesenen Wegen durch die Landschaft stolpern.
Und das IST eine Landschaft - faszinierend! Da denkt man doch eigentlich, bei dem vielen Sand kann ja nicht viel wachsen - Pustekuchen. Alles grün hier, es gibt Moos und Farn (!) und streckenweise fühlen wir uns fast wie im Regenwald. Es duftet nach feuchter Erde, einzig einen Wasserfall könnte man vermissen ;)
Trotz Karte verlaufen wir uns ein kleines bisschen, und das vermisse ich nun wirklich auf der Insel: Es gibt weit und breit kaum Hinweisschilder. Ok, Strassennamen gibt es auch nicht, aber so dezente Hinweise wie "Ostdorf", "Kaufmann" oder "Hafen" könnten helfen. Oder habe ich sie übersehen? Immerhin sind die
öffentlichen Toiletten ausgeschildert. Auch nicht ganz unwichtig.
Wir kommen letztendlich weit ab vom alten Ostdorf auf der anderen Seite der Insel raus, gehen an Salzwiesen (?) und Pferdeweiden entlang am alten Ort vorbei (den ich mir deutlich älter vorgestellt hätte - ich bin wohl doch etwas verwöhnt, so als Lübeckerin), lassen Ostdorf rechts von uns und landen im beliebten Strandcafé. Dort wird Mittag gegessen, dann müssen wir langsam - also ganz langsam - Richtung Pension und Fähre. Auf dem Weg wird noch "schnell" ein Kaffee genossen, dann holen wir das Gepäck, treffen uns mit den anderen Hochzeitsgästen am Fähranleger und gegen vier schippern wir wieder gen Festland. Mit einem alten "Auf Wiedersehn" (Rudi Schuricke) und inzwischen grauem Himmel geht das Wochenende allmählich zuende. Noch schnelle 3, 5 Stunden auf die Autobahn (diesmal haben wir Glück, alles frei, kein Stau, kaum LKW), dann sind wir am Abend etwas geplättet zuhause.
FAZIT:
Eine Insel zum Runterkommen.
Ideal für Eltern mit kleinen Kindern, hier kann niemand unter's Auto geraten. Es gibt Strand und Meer und Strandkörbe, Spielplätze, Schwimmbad, Tennis, Minigolf und jede Menge Bistros, Eis, Restaurants.
Super auch für ältere Semester, die sich bei Meerluft erholen wollen.
Klasse für eine kurze Auszeit aus dem (Berufs-) Alltag. Schon auf der Überfahrt fällt der erste Stress ab, wenn man sich den Wind um die Nase wehen und den Blick über Wasser und Himmel schweifen lässt.* Wer Glück hat, sieht sogar einen neugierigen Seehund aus dem Wasser gucken.
Es ist ziemlich ruhig auf der Insel - abgesehen von grölenden Touristen in der Nacht, Hufgeklapper und E-Motor-Geräuschen am Morgen (der hier anscheinend nicht vor sieben anfängt). Und es geht halt alles ein bis drei Schritte langsamer als auf dem Festland. Ist ja auch mal ganz schön :)
*Oder um es mit Pia zu sagen:
"Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer"